Salzgehalt des Grundwassers im Raum Fasano – Gesamtstudie mit Messwerten, Karten im Text, Rechtsrahmen und PilotprojektenEinleitung
Apulien zwischen Monopoli, Fasano und Ostuni: ein schmaler, lichtüberfluteter Küstensaum, darunter ein riesiger Karstkörper aus Kreidekalk, hochdurchlässig wie ein Schwamm – ein Segen für Speicher, ein Fluch für Schutz. In seinem natürlichen Zustand liegt eine Süßwasserlinse über dem schwereren Meerwasser; doch Übernutzung, Trockenjahre und der Meeresspiegelanstieg schieben den cuneo salino – den Salzkeil – langsam landeinwärts. Messreihen aus europäischen Projekten und italienischen Behördenberichten zeigen seit Jahren dasselbe Bild: Der Salzgehalt reagiert schneller und schärfer als der Pegel. Er ist der Frühindikator, an dem sich Politik und Praxis orientieren müssen (1) (3).
Geologie und Mechanik
Die Murgia ist ein mächtiger Karstaquifer: Klüfte, Karsthohlräume, schnelle Flüsse im Untergrund, kaum Puffer. Süßwasser „schwimmt“ wegen geringerer Dichte auf Meerwasser, bildet eine Süßwasserlinse; sinkt der hydraulische Kopf im Landesinneren, dringt Salzwasser unterseitig vor, die Mischzone verbreitert sich, die Leitfähigkeit steigt – zuerst an der Küste, dann entlang der Förderachsen. Diese Mechanik prägt jede Maßnahme, von der Entnahmebremse bis zur Managed Aquifer Recharge (MAR) (3).
Messwerte, Zonierung und „Karte im Text“
Erhobene Daten und Berichte zeigen eine gestufte Salinität, die man auch ohne GIS lesen kann:
Adria – Küstenlinie
│
│ 0–2 km Küstensaum:
│ TDS > 6 g/L, lokal 30–40 g/L ≈ Meerwasser
│ → zahlreiche Brunnen aufgegeben
│
│ 3–6 km Übergangszone:
│ TDS 2–5 g/L, stark saisonal schwankend
│
│ 6–10 km Mittelstreifen:
│ TDS 1–2 g/L, nur für salztolerante Kulturen
│
│ >10 km Inland:
│ TDS < 1 g/L, überwiegend Süßwasser
Parallel dazu die vertikale Salzleiter: oberflächennah teils ≈ 0,1 g/L, an der Faldenbasis bis ≈ 42 g/L – ein anschaulicher Beleg dafür, dass die „Linse“ nach unten salziger und dichter wird (2). Die Ostuni-Testfläche (inklusive Fasano) dokumentiert für den Küstensaum systematisch TDS-Werte > 6 g/L und die Aufgabe von Brunnen (1).
Ursachen – ein Mehrfachtreiber
Übernutzung für Bewässerung und touristische Spitzen senkt den Grundwasserspiegel; Karst beschleunigt die Intrusion; landwirtschaftliche Rückführung (Salzakkumulation durch Verdunstung/Düngung) verstärkt die Frachten; Klimawandel verschiebt Niederschläge und hebt das Meer. Eine aktuelle Fallstudie im Schutzgebiet Torre Guaceto (südlich von Fasano) belegt diese Gleichzeitigkeit – Meerwasserintrusion, landwirtschaftliche Einträge, morphologische Steuerungen greifen ineinander (15).
Forcatella/Fasano: die Süßwasserlinse als Barriere (nach Avvenire 2023)
Südlich von Fasano arbeitet das Projekt „Lago Forcatella“ wie ein hydraulisches Gedicht in Prosa: erst wird kommunales Ablaufwasser tiefer aufbereitet, dann in Becken zwischengespeichert, schließlich über trincee drenanti gezielt versickert. Ergebnis: eine künstliche Süßwasserlinse, die als Gegenkeil die Intrusion dämpft – Avvenire beschreibt diese Barrierewirkung über einen Küstenabschnitt von rund 30 Kilometern, nennt die indirekte Trinkwassereignung als Option und notiert ökologische Nebeneffekte (Zugvögel, Flamingos). Seit Juli 2022 führt Technoacque den Betrieb (4).
Technische Kennzahlen und Pilotcharakter
Die Betreiber- und Projektseiten nennen für Forcatella einen Bewässerungsbezirk ≈ 1.000 ha und ein Hauptnetz ≈ 30 km; Presse und Social-Statements sprechen teils von ≈ 200 km Netz (andere Zählweisen/Phasen) und einem Becken von ≈ 50.000 m² / ≈ 50 Mio. Liter. Trotz Streuung ist das Bild konsistent: Wiederverwendung erzeugt Ressource und Hydraulik zugleich (5) (6) (7) (8).
Rechtsrahmen – EU, Italien, Region Apulien
Europa. Die Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/EG setzt das Flussgebietsmanagement, die Grundwasserrichtlinie 2006/118/EG schützt vor Verschlechterung; seit 26.06.2023 gilt die VO (EU) 2020/741 mit Mindestanforderungen und Risikomanagementplan für Wasserwiederverwendung (13) (14) (9).
Italien. Mit D.M. 185/2003 wurden nationale Mindestqualitäten für den landwirtschaftlichen Wiedergebrauch gesetzt; das D.Lgs. 152/2006 ist das Umwelt-Grundgesetzbuch für Ableitungen, Entnahmen und Schutz; die Umsetzung der EU-Trinkwasserrichtlinie erfolgte über D.Lgs. 18/2023 (Leitfähigkeit als Parameterindikator 2.500 µS/cm bei 20 °C – praktisch die Ampel für Küstenfassungen) (10) (11) (12).
Apulien. Das Regolamento regionale 8/2012 operationalisiert den Wiedergebrauch, einschließlich Zählerpflichten, Ausschlusszonen (Schutzbereiche Trinkwasser) und „recapito alternativo“ – also kontrollierte Versickerung als Umweltempfang, die in Forcatella sichtbar zur Barrierebildung beiträgt (3) (10) (11).
Folgen für Landwirtschaft, Versorgung, Ökologie
Bei TDS 2–3 g/L kippen empfindliche Kulturen, > 6 g/L machen Bewässerung vielerorts sinnlos – daher wurden Küstenbrunnen aufgegeben (1). Die öffentliche Versorgung stützt sich verstärkt auf das Acquedotto Pugliese und Fernwasser; Feuchtgebiete verlieren bei fortschreitender Versalzung ihre Balance – die Torre-Guaceto-Studie dokumentiert den biologischen Druck (2) (15).
Steuerung: Was wirkt – und warum
Entnahmen senken und glätten. Spitzen im Sommer sind Gift für die Linse.
Effizient bewässern. Tröpfchen statt Fluten.
Wiederverwendung + MAR verstetigen. Was nicht direkt gebraucht wird, stärkt als versickerte Süßwasserlinse die Barriere.
Monitoring verdichten. EC/TDS-Logger entlang quer zur Küste verlaufender Profile, mehrtiefig, jährliche Isoalinen-„Karten im Text“, öffentlich.
Nutzungen anpassen. Salztolerantere Fruchtfolgen in der Übergangszone.
Forcatella zeigt: Wasserwiederverwendung kann in einem Karstaquifer zugleich Ressource, Schutz und Ökosystempflege sein – wenn Technik, Recht und Betrieb aufeinander greifen (4) (5) (9).
Übersetzungshilfe: Zahlen, Einheiten, Praxis
TDS wird in g/L (≈ Promille) angegeben; EC (mS/cm) ist das Feldmaß und lässt sich grob in TDS umrechnen (Daumenregel ≈ 0,5–0,7 g/L je 1 mS/cm, ionenabhängig). Süßwasser für Trinkzwecke liegt deutlich unter 1 g/L; Meerwasser bei ≈ 35–39 g/L. Für Entscheidungen zählt die Zeitreihe: EC kontinuierlich messen, TDS laborbestätigt – so wird aus der abstrakten Zahl eine handhabbare Ampel (2) (12).
Fazit
Fasano ist empfindlich, aber nicht wehrlos. Die Karte im Text zeigt, wo die Falda heute brackig bis salzreich ist – und wo Süßwasserfenster bleiben. Forcatella macht vor, wie Wiederverwendung mehr ist als Kreislauf: Sie ist Hydraulik gegen den Salzkeil und ein Modellfall für eine Region, die lernen will, über den Sommer hinaus zu denken. Die Aufgabe ist klar: Entnahmebremse, MAR, Monitoring, Vollzug – und die jährliche Fortschreibung der Isoalinen, damit Verwaltung, Landwirtschaft und Öffentlichkeit dieselbe Karte lesen.
