Das Pfefferkörner Experiment

Kleine Ereignisse verändern das große Ganze
Thomas Schmenger

Am Anfang war … ein leeres Blatt Papier, eine handvoll Pfefferkörner, eine leere Fläche. Und eine Frage: Wie bilden sich zufällige Muster und Strukturen aus kleinen Ereignissen?

Starten wir dazu mit einem kleinen Experiment:
Pfefferkörner werden aus der Hand freigelassen
über einem Blatt Papier.

Die Körner streuen von der Schwerkraft angezogen „zufällig“ – und bilden Muster. Diese Strukturen, die wir beobachten können, ähneln sich in ihren Formen. Sie verbinden sich. Sie bilden Verkettungen, gruppieren sich, erzeugen wachsende Gebilde, erkennbare Figuren mit gemeinsamen Identitäten. Und doch bleibt jede Form für sich einzigartig in ihrer Abweichung.

Wir können zufällige Ereignisse überall im alltäglichen Erleben beobachten: Zum Beispiel rieselnde Regentropfen auf der Auto – Windschutzscheibe. Diese erzeugen auf dem Glas Muster und sonderbare Figuren. Sie ballen sich in manchen Bereichen, sie hinterlassen aber auch “ereignislose” leere Lücken. Die Tröpfchen sind zufällig verteilt.


In der Natur begegnen uns oft ähnliche Muster: Nehmen wir als weiteres Beispiel die Ausbreitung von Sämlingen, die sich einem zufälligen Muster, der Schwerkraft und dem Wind folgend am Boden verteilen. Der Zufall ist hier direkt an Gestaltungsprozessen beteiligt. Einmal ballen sich die Sämlinge enger zusammen, dann sehen wir wiederkehrende Flächen, die leer und ereignislos bleiben.

Der schöpferische Tanz braucht Chaos und Ordnung
Thomas Schmenger

Es ist ein Spiel mit hochkomplexen Zusammenhängen, an das wir uns im Alltag gewöhnt haben: Es ballen sich Ereignisse und treten als zufällige Muster auf. Katastrophen, Glückssträhnen, historische Höhepunkte, zerstörerische Tyrannen, Kriege, auch Epidemien spielen das Spiel der auf uns zufallenden Muster. Mit “ereignislosen “leeren” Phasen und sich zusammenballenden Ereignissen. Unberechenbar und doch wirklich. Ein Windhauch, eine Störung, eine kleine Abweichung, und der Prozess läuft auf eine neue Form zu.

Der Zufall ist eine unerschöpfliche Quelle für gestalterische Prozesse. Gerade das Nichtvorhersehbare zeigt uns im Entstehungsprozess neue Wege. Wir können zufällige Ereignisse nutzen, um Ideen anzustoßen, zukünftige gestalterische Strukturen zu erahnen und neue Sichtweisen freizusetzen.

Die Tatsache, dass zufällige komplexe Abläufe prinzipiell nicht berechenbar sind – sonst wären sie ja nicht zufällig – und in ihrer fortschreitenden Entwicklung dadurch für unsere Wahrnehmung offen bleiben, bringt uns eine notwendige kreative Unschärfe. Jeder leise Windhauch, auch geringe Erschütterungen, Licht- und Wärmeänderungen, die anwesende Masse der Gegenstände in der Nähe, elektrische und elektromagnetische Ladungen, chemische Abläufe, Schallwellen, … alles beeinflusst das entstehende Muster bei seiner Ausformung.

Das Zufällige wird zum unerschöpflichen Spielfeld für neue Ideen. Zufällige Begegnung mit dem Fremden und Unbekannten bieten eine Chance zur Neugestaltung.

1. Ereignisse fallen

Ganz ohne Plan, aber nie ohne Wirkung. Was zufällig aussieht, zeigt immer eine Ordnung. Manche Ereignisse liegen dicht beieinander, andere bleiben für sich. Leere Ereignissflächen sind Teil jeder Gestalt. Der Zufall kann gestalten.

2. Natur (und der Mensch gehört auch dazu!) … nutzt Bildung

Das Zufällige zeigt sich auch in der Natur als leise Kraft. Nicht laut, nicht geplant – aber wirkungsvoll. Mal entsteht Dichte, mal Leere. Beides hat seinen Platz.

3. Der Alltag und seine Wellen

Unser Leben verläuft nicht gleichmäßig. Mal passiert vieles auf einmal, mal lange nichts. Glück und Pech kommen in Serien, als hätten sie sich abgesprochen. Auch Geschichte kennt diese Wellen: Krisen, Umbrüche, goldene Jahre. Die Ereignisse ballen sich, dann herrscht wieder Stille. Dieses Hin und Her ist uns vertraut, auch wenn wir es nicht steuern können. Der Zufall schickt seine Wellen – wir reiten mit.

4. Kreativität liebt das Unerwartete

Nicht alles muss geplant sein, um gut zu werden. Manchmal bringt uns gerade das Unvorhergesehene auf neue Ideen. Wer mit dem Zufall spielt, entdeckt oft mehr, als wer ihn vermeiden will. Ein verirrter Pinselstrich, ein Versprecher, eine schräge Assoziation – all das kann Inspiration sein. Zufall ist kein Fehler, sondern ein Angebot. Er lädt uns ein, anders zu denken. Und manchmal führt er genau dahin, wo wir hinwollten – ohne es zu wissen.

5. Offenheit statt Kontrolle

Zufällige Vorgänge lassen sich nicht exakt berechnen – und genau das macht sie spannend. Alles beeinflusst alles: Luft, Licht, Geräusche, kleinste Erschütterungen. Die Welt ist voller subtiler Impulse, die jedes Muster verändern können. Diese Unschärfe ist keine Schwäche, sondern Freiheit. Sie lässt uns offen bleiben für Überraschungen. Nicht alles muss klar sein, um Sinn zu ergeben. Manches entfaltet sich erst im Ungefähren.

6. Zwischen Struktur und Spiel

Zufall ist kein reines Chaos – aber auch keine starre Ordnung. Er bewegt sich dazwischen, macht das Leben lebendig. Was dabei entsteht, wirkt oft erstaunlich stimmig. Aus vielen kleinen Teilen fügt sich etwas Neues zusammen. Kein Plan, aber auch kein völliges Durcheinander. Das ist das Schöne: Wir erkennen Muster, auch wenn niemand sie entworfen hat. Der Zufall formt – leise, frei und eigenwillig.

7. Das Neue kommt überraschend

Begegnungen mit dem Zufälligen bringen uns aus der Bahn – im besten Sinne. Sie führen uns dorthin, wo wir nicht gesucht haben. Und genau dort beginnt oft etwas Neues. Wer offen bleibt, entdeckt im Zufall ein kreatives Spielfeld. Fremdes wird zum Freund, Unbekanntes zur Quelle. Gestaltung braucht nicht immer Kontrolle – manchmal genügt ein Impuls. Und der kommt oft genau dann, wenn man ihn nicht erwartet.