
Die Wissenschaft sucht die Seele – und findet sie nicht. Oder zumindest nicht dort, wo sie jahrtausendelang vermutet wurde. Kein Mikroskop hat sie je aufgespürt, kein Scanner hat sie je vermessen. Und doch bleibt sie eine der zentralen Fragen der Menschheit: Gibt es sie, jenseits der Metaphern, jenseits des Glaubens? Was, wenn die Seele nichts als ein Algorithmus ist – oder mehr als das ganze Universum?
Die Neurowissenschaften haben das Denken entzaubert. Sie können zeigen, wie Erinnerungen entstehen, welche Areale für Emotionen zuständig sind, wo Bewusstsein verortet ist. Aber sie stehen vor einem Rätsel: Warum fühlt es sich an, als gäbe es ein Ich, eine innere Welt, eine Identität? Das “harte Problem des Bewusstseins”, wie es der Philosoph David Chalmers nennt, bleibt ungelöst.
Die Quantenphysik wagt spekulative Brücken: Könnte das Bewusstsein eine fundamentale Eigenschaft der Materie sein? Ist es in der Struktur des Universums verankert, anstatt bloß ein Nebenprodukt biologischer Prozesse zu sein? Manche Forscher sehen in den quantenmechanischen Prozessen im Gehirn eine Spur des Geheimnisses. Andere lehnen solche Ideen als Esoterik ab.
Die KI-Forschung rückt das Problem von einer anderen Seite an. Wenn man künstliche Intelligenzen erschaffen kann, die denken, lernen, sogar Emotionen simulieren – ist das dann ein Beweis, dass die Seele nichts weiter als eine hochkomplexe Berechnung ist? Oder zeigt es nur, dass das Wesentliche am Menschsein sich nicht in Algorithmen einfangen lässt?
Vielleicht sucht die Wissenschaft an der falschen Stelle. Vielleicht ist die Seele kein Ding, das man lokalisieren kann, sondern eine Qualität, ein Erleben, ein Bewusstsein, das sich selbst entzieht, sobald man es zu fixieren versucht. Vielleicht bleibt sie ein poetisches Rätsel – nicht weniger real, nur weil sie sich nicht messen lässt.
