Alles lebt im Rhythmus des Miteinanders
Stell dir eine Szene vor: Ein Dorf am Rande der Savanne, Kinder rennen barfuß durch den roten Staub, zwischen Mangobäumen, die wie alte Wächter über die Zeit stehen. Die Ältesten sitzen im Schatten, erzählen Geschichten, in denen Tiere sprechen, Flüsse zuhören und der Wind eine eigene Meinung hat. In dieser Welt ist niemand allein – nicht der Mensch, nicht das Tier, nicht der Stein. Alles lebt im Rhythmus des Miteinanders.
EcoUbuntu entspringt genau diesem Denken – einem afrikanischen Weltverhältnis, das soziale, spirituelle und ökologische Verbindungen nicht trennt, sondern miteinander verschränkt. Es ist eine Weiterentwicklung des klassischen Ubuntu-Prinzips – „Ich bin, weil wir sind“ – um eine radikale ökologische Dimension: „Wir sind, weil die Erde ist.“
Im Zentrum steht die Einsicht, dass Menschsein nicht möglich ist ohne Beziehung – nicht nur zu anderen Menschen, sondern auch zur Natur, zum Boden, zur Luft, zum Wasser. Der Baum vor dem Haus ist kein Rohstoff, sondern ein Zeuge deiner Kindheit. Der Fluss ist kein Energielieferant, sondern ein Träger von Geschichten und Erinnerungen. EcoUbuntu versteht Natur nicht als Ressource, sondern als Verwandtschaft – als Teil eines umfassenden, lebendigen Beziehungsgeflechts.
In Zeiten von Klimakrise, Ressourcenraubbau und globaler Vereinzelung bietet EcoUbuntu eine andere Zukunftsgrammatik:
Nicht Besitz, sondern Hüterschaft.
Nicht Kontrolle, sondern Koexistenz.
Nicht Ausbeutung, sondern Fürsorge.
Diese Denkform hat tief verwurzelte afrikanische Wurzeln, aber globale Relevanz. Sie fordert nicht weniger als eine Neuvermessung des Menschseins – nicht über Konsum und Kapital, sondern über das Maß der Verbundenheit. EcoUbuntu ist kein romantisches Ideal, sondern eine praktische Ethik für das Überleben – besonders dort, wo Umweltzerstörung und soziale Ausgrenzung ineinandergreifen.
EcoUbuntu sagt: Zukunft entsteht nicht, wenn wir sie besitzen, sondern wenn wir in Beziehung zu ihr treten.
Und vielleicht liegt genau darin die Umkehrung, die wir jetzt brauchen.
EcoUbuntu ist kein traditioneller Begriff, der aus einer bestimmten ethnischen oder geografischen Quelle stammt, sondern ein zeitgenössisches, weiterentwickeltes Denkmodell, das auf dem klassischen afrikanischen Ubuntu-Prinzip basiert und dieses um eine explizit ökologische Dimension erweitert.
Der Begriff selbst entstand nicht in einem einzelnen Dorf oder Land, sondern formte sich im akademischen, aktivistischen und spirituellen Kontext Afrikas – besonders in jenen Diskursen, in denen soziale Gerechtigkeit, Umweltbewusstsein und postkoloniale Kritik miteinander verwoben werden.
Man findet Spuren und Formulierungen von EcoUbuntu vor allem in:
- Südafrika, insbesondere in der Verbindung von afrikanischer Philosophie mit Umweltethik in den Schriften postkolonialer Denker und Theologen (z. B. Mfuniselwa Bhengu, Mogobe Ramose, Michael Mkwanazi),
- Umweltbewegungen und Landrechts-Initiativen, etwa im Zusammenhang mit Kämpfen gegen Land Grabbing, Fracking oder extraktivistische Großprojekte,
- sowie in kirchlich-ökologischen Kontexten, etwa der ökumenischen Bewegung im südlichen Afrika, wo „Earthkeeping“ und „Ubuntu Ecology“ bewusst zusammengeführt werden (z. B. durch das Institute for Contextual Theology oder das Southern African Faith Communities’ Environment Institute).
EcoUbuntu ist damit weniger ein historischer Ursprungsbegriff als ein zukunftsgerichteter Entwurf, der afrikanische Weisheit mit globaler ökologischer Dringlichkeit verbindet – und dabei eine ethische, politische und spirituelle Dimension entfaltet, die über reine Umweltpolitik hinausgeht.