Wer hat die Faktenmacht?

Auch Fakten tanzen und stolpern munter in unseren Köpfen
Thomas Schmenger

Wer zieht die Fäden?
Wer entscheidet eigentlich, was als „Fakt“ gilt und was nicht? Sind es Journalistinnen, Wissenschaftler, Politiker – oder am Ende doch Algorithmen, die steuern, was wir sehen und glauben? In einer Welt voller Informationen und Gegeninformationen stellt sich die Frage: Wer filtert, wer ordnet, wer wertet? Ist ein Fakt erst dann ein Fakt, wenn er veröffentlicht und geglaubt wird? Und was passiert mit Wahrheiten, die nicht ins Bild passen – verschwinden sie einfach aus unseren Köpfen? Vielleicht ist die Macht über Fakten weniger eine Frage der Wahrheit, sondern eine der Deutungshoheit. Doch wer darf diese Deutung in Anspruch nehmen?

Medien als Wahrheitsmacher
Nachrichtenkanäle gelten oft als vierte Gewalt – aber sind sie neutrale Vermittler oder kreative Erzähler mit eigener Agenda? Wie unabhängig sind Redaktionen, wenn Klickzahlen, Werbekunden und politische Interessen mitreden? Können wir davon ausgehen, dass uns die ganze Wahrheit gezeigt wird – oder nur das, was Aufmerksamkeit bringt? Wie viele Perspektiven fehlen in der täglichen Berichterstattung, weil sie nicht ins Raster passen? Wenn Medien unsere Wirklichkeit mitgestalten, tragen sie dann nicht eine gewaltige Verantwortung? Und wie gehen sie damit um? Welche Geschichten werden erzählt – und welche nicht?

Wissenschaft als Faktenfabrik
Ist die Wissenschaft wirklich die Quelle unerschütterlicher Wahrheit – oder doch ein System aus Hypothesen, Daten und Interpretationen? Wer entscheidet, welche Studien gehört, zitiert oder finanziert werden? Ist wissenschaftliche Wahrheit unabhängig – oder abhängig von Drittmitteln, Institutionen und Karriereinteressen? Was passiert mit unbequemen Forschungsergebnissen? Werden sie veröffentlicht oder lieber verdrängt? Wie transparent ist der wissenschaftliche Prozess für eine Öffentlichkeit, die sich auf Fakten verlässt? Und wer vermittelt wissenschaftliches Wissen so, dass es nicht zur Manipulation wird?

Plattformen als Torwächter
Digitale Plattformen entscheiden heute, was wir sehen, lesen und glauben – doch nach welchen Kriterien? Welcher Inhalt wird verstärkt, welcher unterdrückt, welcher gelöscht? Wie transparent sind die Algorithmen, die unsere Weltanschauung beeinflussen? Wer programmiert diese Systeme – und mit welchen Absichten? Haben Google, Facebook, TikTok und Co. längst die Rolle übernommen, die früher Redaktionen innehatten? Und ist uns bewusst, wie stark unsere Informationswelt gefiltert und personalisiert ist? Leben wir in Wahrheit in lauter kleinen, maßgeschneiderten Realitäten?

Macht durch Wiederholung
Ein Fakt wird nicht nur durch Beweise glaubwürdig, sondern oft einfach durch Wiederholung. Wer Kontrolle über die Erzählung hat, gewinnt Einfluss über das Denken. Wie oft müssen wir etwas hören, bis wir es für wahr halten – unabhängig davon, ob es überprüft wurde? Welche Rolle spielen Meinungsmacher, Influencer und sogenannte Experten dabei? Wenn ständig dieselben Narrative erzählt werden – wie groß ist der Spielraum für Zweifel oder Widerspruch? Und wie widerstandsfähig sind wir gegenüber dieser subtilen, aber ständigen Beeinflussung?

Gesellschaftliche Filter
Auch unser eigenes Weltbild bestimmt, welche Fakten wir annehmen – und welche wir ablehnen. Wer hat uns geprägt? Welche Werte, Erzählungen und Erfahrungen beeinflussen unser Urteilsvermögen? Wie oft glauben wir nur das, was in unser Weltbild passt – und blenden alles andere aus? Haben nicht auch Bildung, Kultur und Herkunft großen Einfluss darauf, welche Fakten für uns zählen? Vielleicht liegt die Macht über Fakten gar nicht nur in äußeren Händen – sondern auch tief in unserem Inneren. Doch erkennen wir diese inneren Filter rechtzeitig?

Selbstermächtigung
Was bleibt also? Vielleicht ist es an der Zeit, die Macht über Fakten zurückzufordern – durch kritisches Denken, vielfältige Quellen und den Mut zum Zweifel. Sind wir bereit, uns nicht länger nur bespielen zu lassen, sondern selbst aktiv zu hinterfragen? Trauen wir uns, unbequeme Fragen zu stellen, auch wenn sie uns aus der Komfortzone holen? Können wir lernen, Fakten nicht nur zu konsumieren, sondern zu prüfen, zu kontextualisieren – und uns unsere eigene Meinung zu bilden? Die wahre Macht über Fakten beginnt dort, wo Menschen den Mut haben, selbst zu denken. Gefühle zu prüfen. Genau hinzuspüren. Und auch eigene Geschichten zu erzählen. Bist du bereit dafür?