Menschenfischer? ein fast vergessenes. leicht angestaubtes Wort wie aus alten Zeiten, getränkt in Mythos, triefender Moral und Mehrdeutigkeit.

Nun gut. Beginnen wir mal hier: Es war, so wird die Geschichte erzählt, Jesus selbst, der zu den ersten Jüngern sagte: „Ich will euch zu Menschenfischern machen.“ Ein Bild aus einer Zeit, in der das Fischen noch Handwerk war und das Netz ein Symbol für Gemeinschaft, nicht für Fangquote. Doch was bedeutet das heute – in einer Welt, die unentwegt „fischt“ nach Aufmerksamkeit, Zustimmung, Daten?

Ein Menschenfischer war früher jemand, der mit Worten berührte, der nicht zwang, sondern zog. Der nicht fesselte, sondern freisetzte. Einer, der nicht mit dem Haken der Manipulation arbeitete, sondern mit dem Netz der Hoffnung, der Verwandlung, der Zuwendung.

Heute begegnet uns das Bild des Menschenfischers in anderer Gestalt.

In der Politik, wo Worte kalkuliert werden, um Massen zu bewegen. Nicht immer, um zu befreien – oft, um zu binden.

In der Werbung, wo Menschen nicht gewonnen, sondern erbeutet werden – als Zielgruppen, als Klicks, als Datensätze.

In sozialen Medien, wo Influencer sich selbst inszenieren als Hirten, Heiler oder Heilsversprecher – und die Netze digitaler Art sind, aber ebenso klebrig.

In Sekten und Verschwörungsblasen, wo das große Netz ein engmaschiges wird, aus dem man sich schwer befreien kann.

In den Kirchen, wo der Begriff noch immer im Gebrauch ist – und oft umringt von der Frage, ob er (oder sie) überhaupt noch trägt.

Doch es gibt sie noch – die anderen Menschenfischer. Die, die keine Beute suchen, sondern Begegnung.

Lehrende, die mit Worten Horizonte öffnen.

Künstlerinnen, die mit ihrem Werk neue Erfahrungsräume schaffen.

Therapeuten, die Menschen auffangen, ohne sie zu vereinnahmen.

Philosophierende, die den Zweifel hegen wie ein zartes Pflänzchen.

Aktivistinnen, die nicht zwingen, sondern zeigen: Es geht auch anders.

Freundinnen und Freunde, die in Stille da sind, ohne ein Netz auszuwerfen.

Sonderbare, die leuchten, weil sie sind wie sie sind.

Ein Menschenfischer der Gegenwart ist jemand, der einlädt – nicht einholt. Der inspiriert – nicht indoktriniert. Der verbindet – nicht verführt.

Vielleicht sollten wir das Bild neu denken:

Nicht als Angler mit Angel, nicht als Jäger mit Netz, sondern als jemand, der lauscht, lockt, leuchtet. Der weiß: Jeder Mensch lebt in seinem persönlichen wertvollen Universum. Verbundem mit allem. Kein Fang. Kein Fall. Kein Fisch.

Ein Menschenfischer ist jemand, der die anderen nicht braucht, um sich selbst zu füllen – sondern überfließt.

Mit Mitgefühl.

Mit Witz.

Mit Geschichten.

Mit Fragen.

Mit Licht.

Mit Ideen

Vielleicht ist das der wahre Menschenfischer:

Kein Sammler von Seelen, sondern ein Tänzer im Zwischenraum. Mit Hoffnung