
Frithjof Bergmann, der österreichisch-amerikanische Philosoph und Begründer des Konzepts „Neue Arbeit“ (New Work), schlägt im Kern eine radikale Neuordnung der Arbeit vor: Weg vom Zwangscharakter der Erwerbsarbeit, hin zu einer Tätigkeit, die Ausdruck menschlicher Freiheit, Kreativität und Selbstverwirklichung ist. Seine Ideen wurzeln in den Krisen der Industriegesellschaft und richten sich auf eine Zukunft, in der Menschen nicht mehr „Jobbesitzer“, sondern Gestalter ihres Wirkens sind.
Hier die zentralen Gedanken seines Ansatzes:
Arbeit als Ausdruck von Freiheit
Bergmann geht von der Überzeugung aus, dass die moderne Lohnarbeit den Menschen entfremdet: Viele arbeiten nicht, weil sie wollen, sondern weil sie müssen. Er sagt: „Die meisten Menschen hassen ihre Arbeit, und das ist ein Skandal.“ Dies ist sicher eine sehr polarisierende und überzogene Einschätzung, die aber im Kern auf eine tiefere Wahrheit zielt: Dass Arbeit in unserer Gesellschaft oft nicht mehr Ausdruck von Freiheit, Kreativität oder Sinn ist, sondern ein Mittel zum Überleben. Bergmanns Satz provoziert, weil er die verdrängte Erfahrung vieler Menschen ausspricht – dass sie in ihren Jobs nicht das verwirklichen, was sie eigentlich können oder wünschen. Seine Kritik richtet sich nicht gegen Arbeit an sich, sondern gegen ihre gegenwärtige Form: gegen Routinen, die den Menschen als Ressource behandeln, statt als schöpferisches Wesen.
Im Kern fordert Bergmann, Arbeit wieder mit Leben zu füllen – sie nicht länger als Zwang, sondern als Möglichkeit zu begreifen, das Eigene zu entfalten. Er spricht von „neuer Arbeit“, die drei Quellen verbinden soll: das, was man wirklich, wirklich tun will; das, was die Welt tatsächlich braucht; und das, was sich wirtschaftlich tragen kann.
Damit wird Arbeit zu einem Feld der Selbstbestimmung – nicht länger der Ort, an dem man Zeit verkauft, sondern an dem man Sinn gestaltet. Bergmanns Überzeugung ist, dass echte Freiheit nicht in der Freizeit liegt, sondern in der Arbeit selbst – dann, wenn sie Ausdruck des eigenen Wesens wird.
Sein Ziel war, Arbeit wieder zu dem zu machen, was Menschen wirklich, wirklich wollen. Dieser doppelte Ausdruck – „wirklich, wirklich“ – steht bei ihm für das tief empfundene, existenzielle Wollen jenseits von bloßem Einkommen oder Status.
Drei Säulen der „Neuen Arbeit“
Bergmann entwickelte ein Modell, das in Krisenzeiten (z. B. bei Werkschließungen in Detroit) auch praktisch erprobt wurde. Es basiert auf drei Bereichen:
– Erwerbsarbeit:
Sie bleibt bestehen, aber in reduzierter Form. Die Menschen sollen nicht mehr Vollzeit arbeiten müssen, sondern nur so viel, wie nötig ist, um grundlegende Bedürfnisse zu decken.
– High-Tech Selbstversorgung:
Hier setzt Bergmann auf technologische Befreiung – also darauf, dass moderne Technologien (z. B. 3D-Druck, dezentrale Energie, lokale Produktion) es ermöglichen, vieles selbst herzustellen, anstatt es von Konzernen zu kaufen. Arbeit wird dadurch wieder selbstbestimmt und schöpferisch.
– Arbeit, die man wirklich, wirklich will:
Der Kern seiner Philosophie: Jeder Mensch soll herausfinden, was ihn zutiefst erfüllt. Dazu schlägt Bergmann „Zentren für Neue Arbeit“ vor – Orte, an denen Menschen lernen, ihre Fähigkeiten, Wünsche und Talente neu zu entdecken, abseits ökonomischen Drucks.
Technik als Werkzeug der Emanzipation
Bergmann war kein Technikfeind, im Gegenteil: Er sah in ihr die Möglichkeit, Menschen von stumpfer, entfremdeter Arbeit zu befreien.
Er glaubte, dass Automatisierung und Digitalisierung die Chance bieten, mehr Freiraum für Kreativität, Fürsorge und gesellschaftliches Engagement zu schaffen – sofern die Gesellschaft es bewusst gestaltet.
Technik solle dem Menschen dienen, nicht ihn ersetzen.
Gesellschaftliche Vision
Bergmanns Ziel war eine Welt, in der Arbeit nicht mehr als Mittel zum Überleben verstanden wird, sondern als Form der Selbstentfaltung und sozialen Teilhabe.
Er plädierte für eine Neuaufteilung der Zeit, für lokale Gemeinschaften, die eigene Strukturen der Versorgung aufbauen, und für eine neue Definition von Wohlstand – jenseits von Wachstum und Konsum.
Philosophischer Hintergrund
Bergmann war stark von Hegel und dem Begriff der Freiheit geprägt, verstand sie aber praktisch: Freiheit entsteht nicht im Denken, sondern im Tun, im Gestalten des eigenen Lebens.
Arbeit, so seine Vision, soll kein Zwang mehr sein, sondern ein Ort, an dem Menschen „ihre eigene Stärke spüren“.
Aktuelle Bedeutung
Heute wird „New Work“ oft auf Homeoffice, flexible Arbeitszeiten oder Unternehmensstrategien reduziert – doch Bergmann meinte etwas Tieferes:
eine kulturelle und spirituelle Transformation der Arbeit selbst, hin zu Sinn, Selbstverantwortung und gemeinschaftlicher Produktion.
Seine Ideen sind heute angesichts von KI, Klimawandel und sozialer Fragmentierung aktueller denn je: Arbeit als Zukunftsgestaltung, nicht als Pflicht.