Selbstwirksamkeit

Wie wir aufhören, bloß Zuschauer zu sein

Die Gegenwart raubt vielen den Atem. Die Krisenlandschaft ist so dicht gewebt wie ein apokalyptischer Wandteppich: Klimakollaps, Demokratieverdrossenheit, algorithmische Überwältigung, soziale Kälte. Doch während die Probleme in ihrer globalen Wucht das Gefühl der Ohnmacht nähren, bleibt eine stille, unbeirrbare Kraft oft unbeachtet: die Selbstwirksamkeit. Sie beginnt nicht in der Welt „da draußen“, sondern dort, wo Vorstellungskraft, Reflexion und mutige Voraussicht sich berühren – im persönlichen Universum eines jeden Menschen.

Selbstwirksamkeit ist kein Coaching-Jargon, sondern ein existenzieller Muskel. Der Psychologe Albert Bandura prägte den Begriff als die Überzeugung, durch eigenes Handeln wirksam Einfluss nehmen zu können. Doch diese Fähigkeit verkümmert leicht, wenn wir unser Denken in linearen Bahnen lassen, statt es in Möglichkeitsräumen zu entfalten. Wer glaubt, nichts bewirken zu können, handelt nicht – und wer nicht handelt, stärkt die Strukturen, die das Gefühl der Machtlosigkeit erzeugen. Ein tragischer Zirkel, gespeist aus erlernter Passivität.

Der erste Schritt zur Selbstwirksamkeit ist die radikale Annahme der eigenen Vorstellungskraft als schöpferisches Werkzeug. Denn jede Veränderung beginnt im Imaginären: Was wäre, wenn unsere Städte atmen könnten? Wenn Arbeit wieder ein Ausdruck von Verbundenheit statt Erschöpfung wäre? Wenn Bildung nicht reproduziert, sondern freisetzt? Diese Fragen sind keine Träumereien. Sie sind Keimzellen einer anderen Realität. In einer Welt, die von Sachzwängen regiert wird, ist das Denken in Alternativen ein Akt des Widerstands – und der Anfang politischer Reife.

Reflexion ist der zweite Schritt. Nicht jede Idee, die sich gut anfühlt, trägt. Selbstwirksamkeit heißt nicht: beliebig agieren. Sie lebt von einem wachen Blick auf das eigene Handeln, auf die Motive dahinter, auf die Wirkungen im sozialen Geflecht. Es braucht die Bereitschaft, sich selbst in Frage zu stellen, ohne sich zu verlieren. In einer Kultur des schnellen Urteilens ist das ein leiser, aber kraftvoller Akt: zuhören, innehalten, nachjustieren.

Und schließlich: Antizipation. Die Fähigkeit, mögliche Zukünfte durchzuspielen – nicht aus Angst, sondern aus Verantwortung. Was bedeutet mein Handeln für die, die nach mir kommen? Welche Narrative nähre ich, welche unterbreche ich? Wer antizipiert, handelt nicht nur reaktiv, sondern setzt Zeichen – als Antwort auf das, was sein könnte. In einer Welt, in der Zukunft oft als Bedrohung erscheint, ist antizipierendes Denken ein schöpferischer Lichtstrahl.

Selbstwirksamkeit ist damit mehr als ein psychologisches Konzept. Sie ist eine Haltung, ein innerer Kompass, eine ethische Verpflichtung. Sie bedeutet: Ich bin Teil des Problems – und Teil der Lösung. Ich bin nicht das Opfer der Verhältnisse – ich bin Mitgestalter der Bedingungen, unter denen wir leben.

Und vielleicht ist es genau das, was wir jetzt brauchen: keine Helden, keine Ideologien, keine allwissenden Experten. Sondern viele Menschen, die sich selbst wieder als wirksam erfahren. Die den Mut haben, ihr persönliches Universum zu befragen, um das kollektive zu verwandeln.

Denn Zukunft ist kein Ort, den man findet. Sie ist ein Ort, den wir erschaffen.