Syntropische Landwirtschaft

Wir brauchen eine mutige und behutsame Umformung unserer Anbaumethoden
Thomas Schmenger

Eine regenerative Antwort auf die Krisen unserer Zeit

Die syntropische Landwirtschaft ist mehr als nur ein Konzept der Nahrungsproduktion – sie ist eine Philosophie des harmonischen Zusammenlebens mit der Natur. Inspiriert von den Prinzipien der Permakultur und weiterentwickelt durch den brasilianischen Landwirt und Visionär Ernst Götsch, bietet dieses System eine radikale Abkehr von den destruktiven Praktiken der konventionellen Landwirtschaft. Doch was steckt hinter diesem Ansatz, und warum könnte er ein Schlüssel für eine nachhaltige Zukunft sein?

Was ist Syntropie?

Syntropie ist das Gegenteil von Entropie. Während Entropie den Zerfall und die Zunahme von Unordnung beschreibt, steht Syntropie für den Aufbau von Komplexität, Ordnung und Vielfalt. In der Landwirtschaft bedeutet das, dass Böden, Pflanzen und Ökosysteme nicht ausgebeutet, sondern regeneriert werden. Das Ziel ist ein System, das im Laufe der Zeit an Produktivität und Resilienz gewinnt – ähnlich wie ein natürlicher Wald.

Die Prinzipien der syntropischen Landwirtschaft

Diversität statt Monokultur: Statt riesiger Felder mit einer einzigen Pflanzenart setzt die syntropische Landwirtschaft auf eine Vielzahl von Nutzpflanzen, die sich gegenseitig unterstützen. Mischkulturen fördern die Bodenfruchtbarkeit und reduzieren den Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln.

Dynamik und Sukzession: Ähnlich wie in einem natürlichen Ökosystem werden Pflanzen so angeordnet, dass sie in verschiedenen Entwicklungsstadien einander ergänzen. Schnell wachsende Arten bereiten den Boden für langsamere, langlebigere Pflanzen vor.

Integration von Bäumen: Wälder sind natürliche Kohlenstoffspeicher und Schattenspender. Die Integration von Bäumen in landwirtschaftliche Systeme schafft Mikroklimata, die das Wachstum anderer Pflanzen fördern und die Biodiversität steigern.

Kreislaufwirtschaft: In der syntropischen Landwirtschaft gibt es keine Abfälle. Pflanzenreste und organisches Material werden zu Mulch und Kompost, die den Boden nähren und das Leben im Boden fördern.

Die Vorteile syntropischer Landwirtschaft

Regeneration der Böden: Böden werden nicht ausgebeutet, sondern angereichert. Humusaufbau und Bodenleben werden gefördert, was zu höheren Erträgen und einer besseren Wasserspeicherung führt.

Kohlenstoffspeicherung: Durch die Einbindung von Bäumen und dauerhaften Pflanzensystemen wird Kohlenstoff aus der Atmosphäre gebunden, was einen Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels leistet.

Widerstandsfähigkeit gegen Klimaschwankungen: Dank der Vielfalt und der Bodenverbesserungen sind syntropische Systeme besser gegen Dürre, Überschwemmungen und andere klimatische Extreme gewappnet.

Soziale Vorteile: Der Ansatz fördert lokal angepasste, kleinere landwirtschaftliche Betriebe und stärkt die Eigenständigkeit der Gemeinschaften.

Ein Praxisbeispiel

Ernst Götsch hat in Brasilien Land übernommen, das durch konventionelle Landwirtschaft nahezu unbrauchbar geworden war. Innerhalb weniger Jahre verwandelte er diese Flächen in fruchtbare Agroforstsysteme, die nicht nur Nahrungsmittel lieferten, sondern auch die lokale Biodiversität erhöhten und das Mikroklima verbesserten. Heute dienen seine Betriebe als Inspiration für Landwirte weltweit.

Die Herausforderungen

Trotz der vielen Vorteile steht die syntropische Landwirtschaft vor Herausforderungen. Sie erfordert ein tiefes Verständnis ökologischer Prozesse und eine Abkehr von der kurzfristigen Profitmaximierung. Zudem fehlen oft staatliche Förderungen oder der politische Wille, um regenerative Ansätze zu unterstützen.

Warum syntropische Landwirtschaft die Zukunft sein könnte

Angesichts des fortschreitenden Klimawandels, der globalen Bodendegradation und der Notwendigkeit, nachhaltige Ernährungssysteme zu entwickeln, bietet die syntropische Landwirtschaft einen Weg aus der Sackgasse. Sie zeigt, dass Landwirtschaft nicht zwangsläufig ein zerstörerischer Eingriff in die Natur sein muss, sondern auch ein Mittel zur Heilung und Regeneration sein kann.

Die syntropische Landwirtschaft ist kein einfacher oder schneller Lösungsweg, doch sie bietet eine Vision einer Welt, in der Mensch und Natur nicht gegeneinander, sondern miteinander wachsen können.