Threema, WhatsApp, Signal, Telegram?

Ein digital-ethischer Blick auf vier Messenger-Plattformen

Gruppenfunktionen sind längst nicht mehr nur ein Feature – sie sind politische Räume, familiäre Zentren, Projektlabore und Protestinstrumente. Doch sie sind so unterschiedlich gebaut wie die gesellschaftlichen Modelle, denen sie entstammen.

Ganz kurz: Was bieten Threema, WhatsApp, Signal und Telegram – und was verschweigen sie?


Signal – der digitale Minimalist mit Maximalprinzipien

Stärken:

Konsequent verschlüsselt – jede Nachricht, jedes Gruppenmitglied, jeder Gruppenname ist Ende-zu-Ende-verschlüsselt. Keine Metadatenanalyse.

Open Source & non-profit – entwickelt von der Signal Foundation, die sich Transparenz und Datenschutz verschrieben hat.

Verifizierte Identitäten – Sicherheitsnummern machen Manipulation schwer. Gruppenmitglieder können gegenseitig geprüft werden.

Keine Telefonbuchpflicht – Gruppen lassen sich auch ohne Hochladen von Kontakten verwalten.

Schwächen:

Geringe Verbreitung – vor allem außerhalb technikaffiner Kreise noch wenig genutzt.

Reduzierter Funktionsumfang – keine offenen Gruppen, keine Bots, keine thematischen Channels.

Komplexität bei Gerätewechsel – Gruppendaten bleiben auf dem alten Gerät. Kein Cloud-Backup.


WhatsApp – der Reichweitenkönig mit Schattenseite

Stärken:

Fast jeder nutzt es – dadurch niedrigste Zugangshürden für Gruppenbildung.

Komfortfunktionen – Sprachnachrichten, GIFs, Emojis, Gruppenanrufe, Reaktionen, Umfragen.

Plattformstabilität – läuft auf allen Geräten zuverlässig, mit Web- und Desktopzugang.

Gruppen- und Communitystruktur – Verwaltung auch großer Systeme möglich.

Schwächen:

Meta hört mit – alle Metadaten (wer, wann, mit wem) fließen an den Konzern hinter Facebook & Instagram.

Nicht Open Source – Entscheidungen sind intransparent und wirtschaftlich motiviert.

Unklare Datenverwendung – auch wenn Inhalte verschlüsselt sind, bleibt der Kommunikationsraum kommerziell kontrolliert.

Verbreitung von Falschinformationen – besonders in Großgruppen schnell und schwer moderierbar.


Telegram – die Plattform der digitalen Ambivalenz

Stärken:

Channels & Supergroups – ideal für Öffentlichkeitsarbeit, Proteste, Bewegungen mit Tausenden Teilnehmer*innen.

Bots und Automatisierung – erweiterbar wie ein Schweizer Taschenmesser.

Cloud-basiert & plattformübergreifend – jederzeit geräteunabhängiger Zugriff.

Anonyme Teilnahme möglich – kein Klarnamenzwang, kein Adressbuch-Upload nötig.

Schwächen:

Verschlüsselung nur optional – Gruppen sind nicht Ende-zu-Ende-verschlüsselt, außer in 1:1-Chats mit Secret Mode.

Private Betreiberstruktur – keine demokratische Kontrolle, Finanzierung unklar (mittlerweile auch Werbeintegration).

Offen für Extremismus – kaum Moderation, Plattform gilt als Rückzugsort radikaler Bewegungen.

Missbrauchspotenzial durch fehlende Limits – Gruppen mit 200.000+ Mitgliedern erschweren echte Dialoge.


Threema – der schweigsame Eidgenosse

Stärken:

Datenschutz „by design“ – keine Telefonnummer nötig, keine Metadatenverarbeitung, kein Tracking.

Schweizer Server & DSGVO-konform – besonders attraktiv für europäische Nutzer*innen.

Einmalige ID statt Telefonnummer – hohe Anonymität möglich.

Verlässliche Gruppenstruktur – klare Rollenverteilung, keine automatisierte Gruppenaufnahme über Links.

Schwächen:

Kostenpflichtig – kleine Einstiegshürde durch Kaufpreis (einmalig rund 4 €).

Begrenzter Funktionsumfang – keine Channels, keine Bots, wenig Animation oder Komfortfeatures.

Geringe Verbreitung außerhalb der Datenschutzszene – geringe Netzwerkeffekte.


Fazit:

Die Wahl des Gruppenmessengers ist eine Wertentscheidung:

Wenn Du Freiheit mit Datenschutz kombinieren willst:

Signal oder Threema sind die glaubwürdigsten Räume für geschützte Gruppenkommunikation.

Wenn Dir Reichweite und Funktionen wichtiger sind als Privatsphäre:

WhatsApp bietet alltagstaugliche Infrastruktur, mit dem Preis des Datenhandels.

Wenn Du große Gruppen und öffentliche Kommunikation brauchst:

Telegram eignet sich für Massenkommunikation – aber auf einem ethisch unsicheren Boden.


Zusammenfassung (kritisch orientiert):

Signal: sicher, transparent, reduziert

WhatsApp: praktisch, weitverbreitet, datenhungrig

Telegram: mächtig, unreguliert, ambivalent

Threema: datensparsam, stabil, aber teuer und klein


Frage zum Weiterdenken:

In welchem digitalen Raum möchtest Du Dich mit Deinen Gedanken versammeln – in einer Werbehalle, einem stillen Kloster oder einer unbeaufsichtigten Arena?