Mikroklima

Wohl Fühlen!
Thomas Schmenger

Stell dir vor, eine Stadt ist wie ein lebendiger Organismus: Ihre Straßen und Gebäude sind das Skelett, ihre Parks und Grünflächen die grünen Lungen. In der modernen Welt müssen diese „Lungen“ gestärkt werden, um die negativen Folgen des Klimawandels zu bekämpfen und die Lebensqualität der Bewohner zu verbessern. Genau hier setzt Urban Greening an – der strategische Einsatz von Pflanzen, Bäumen und Grünflächen, um Städte nachhaltiger, lebenswerter und gesünder zu machen.

In diesem Artikel wollen wir zeigen, wie Städte weltweit das Konzept des Urban Greening nutzen, um ihre Mikroklimata zu verbessern und gleichzeitig ihre Attraktivität und Lebensqualität zu steigern. Es geht dabei um innovative Projekte, beeindruckende Beispiele und konkrete Lösungen, die aus grauen Betonlandschaften grüne Oasen machen.

Warum brauchen wir mehr Grün in unseren Städten?

Der Klimawandel führt nicht nur zu steigenden Temperaturen, sondern auch zu extremeren Wetterbedingungen. Städte sind dabei besonders betroffen. Sie heizen sich durch den hohen Anteil an versiegelten Flächen stärker auf als ländliche Regionen. Das führt zum sogenannten „Urban Heat Island“-Effekt, bei dem die Temperaturen in Städten um bis zu 10°C höher sein können als im Umland. Gleichzeitig werden Städte immer dichter bebaut, was weniger Platz für Grünflächen bedeutet.

Die Lösung? Urban Greening. Studien zeigen, dass grüne Infrastruktur wie Parks, urbane Wälder, begrünte Dächer und Fassaden einen entscheidenden Beitrag zur Reduktion des Hitzeproblems leisten und gleichzeitig die Luftqualität, das Wohlbefinden und die Gesundheit der Menschen verbessern können.

1. Grüne Dächer und Wände: Natur auf den Gebäuden

Ein spektakuläres Beispiel für begrünte Gebäude ist die “Bosco Verticale” in Mailand. Die beiden Türme dieses Projekts sind komplett mit Bäumen, Sträuchern und Pflanzen bedeckt und bieten Lebensraum für Vögel und Insekten. Die Pflanzen auf den Balkonen wirken wie ein lebender Schutzschild: Sie halten Lärm ab, kühlen die Innenräume im Sommer und helfen im Winter, die Wärme im Gebäude zu speichern. Dadurch spart das Gebäude Energie und trägt zur Luftreinigung bei.

Ein weiteres herausragendes Beispiel ist das ACROS Fukuoka Building in Japan. Das Gebäude hat eine Stufenstruktur, die es ermöglicht, über 35.000 Pflanzen und Bäume in Terrassenform anzupflanzen. Die grüne Fassade absorbiert Kohlendioxid, filtert Staubpartikel aus der Luft und sorgt für einen natürlichen Kühleffekt. Gleichzeitig bietet sie Spaziergängern auf jeder Ebene kleine Gartenflächen mit atemberaubendem Blick über die Stadt.

Und dann gibt es noch das Vancouver Convention Centre in Kanada. Sein Gründach ist eines der größten Nordamerikas und erstreckt sich über mehr als sechs Hektar. Es beherbergt eine Vielzahl einheimischer Pflanzen und sogar Bienenstöcke, die dazu beitragen, das Ökosystem der Stadt zu unterstützen.

2. Urban Forests: Wälder mitten in der Stadt

In vielen Städten wachsen inzwischen nicht nur Bäume entlang der Straßen, sondern es entstehen ganze städtische Wälder. Ein Vorreiter in diesem Bereich ist Singapur, das sich den Beinamen „City in a Garden“ verdient hat. Der „Southern Ridges Park“ zum Beispiel verbindet mehrere Parks über ein Netz von Wanderwegen, Brücken und Naturpfaden. Hier trifft man auf eine beeindruckende Vielfalt an Pflanzenarten, die speziell für das städtische Klima ausgewählt wurden.

Singapurs bekannteste grüne Attraktion sind jedoch die Gardens by the Bay, eine Kombination aus futuristischen „Supertrees“ und dem riesigen Cloud Forest Dome. Diese künstlichen Bäume sind bis zu 50 Meter hoch und dienen als vertikale Gärten, die nicht nur Pflanzen beherbergen, sondern auch Solarenergie produzieren und als Belüftungssysteme für die umliegenden Gärten fungieren. Solche Urban-Forest-Konzepte schaffen nicht nur ein einzigartiges Naturerlebnis, sondern tragen auch erheblich zur Kühlung und Luftreinigung der Stadt bei.

Auch Melbourne hat ein großangelegtes Urban-Forest-Projekt gestartet. In den letzten Jahren wurden dort tausende Bäume gepflanzt, um das Stadtklima zu verbessern und die Einwohner vor steigenden Temperaturen zu schützen. Das Ziel ist es, den Baumbestand bis 2040 zu verdoppeln und so die Grünflächen der Stadt erheblich auszuweiten.

3. Parks und Grünflächen: Erholung für Mensch und Natur

Viele Städte setzen auf innovative Parkkonzepte, um ihre Bewohner näher an die Natur zu bringen. Der High Line Park in New York ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür. Diese ehemals stillgelegte Hochbahntrasse wurde in einen Park verwandelt, der sich durch mehrere Stadtviertel schlängelt. Heute ist die High Line ein grünes Paradies, das die Artenvielfalt fördert, Spaziergänge auf verschiedenen Ebenen ermöglicht und eine spektakuläre Aussicht bietet.

In Paris plant man mit dem Projekt “Forêt de Paris” sogar, die berühmte Champs-Élysées in eine grüne Oase zu verwandeln. Die breite Avenue soll mehr Bäume, Grünflächen und weniger Verkehr bekommen, um die Luftqualität zu verbessern und die Gegend für Fußgänger attraktiver zu machen.

Ein weiteres inspirierendes Beispiel ist der Kampung Admiralty in Singapur. Diese urbane Seniorenwohnanlage integriert Gärten auf verschiedenen Ebenen, Gemeinschaftsflächen, medizinische Einrichtungen und einen öffentlichen Park in einem einzigen Komplex. Diese Mischung aus Natur und städtischem Leben bietet den Bewohnern eine angenehme Umgebung und fördert die physische und mentale Gesundheit.

4. Urbane Landwirtschaft: Anbau in der Großstadt

Städtische Landwirtschaft ist längst nicht mehr nur ein Trend, sondern eine ernstzunehmende Antwort auf den Wunsch nach nachhaltiger Nahrungsmittelproduktion in der Stadt. In Detroit, einer Stadt, die mit den Folgen des wirtschaftlichen Niedergangs kämpft, haben Bürger damit begonnen, brachliegende Flächen in Gärten und kleine Farmen umzuwandeln. Heute gibt es in Detroit mehr als 1.500 urbane Gärten und Farmen, die nicht nur Lebensmittel produzieren, sondern auch Arbeitsplätze schaffen und die Gemeinschaft stärken.

In Berlin zeigt das Projekt Prinzessinnengärten, wie Stadtbewohner ihre Umgebung selbst begrünen können. Auf einer brachliegenden Fläche in Kreuzberg entstand ein urbaner Garten, in dem Gemüse, Kräuter und sogar Bienenstöcke zu finden sind. Die Gärtner nutzen mobile Hochbeete, die ohne großen Aufwand aufgestellt werden können, und experimentieren mit innovativen Anbaumethoden wie Aquaponik, bei der Fischzucht und Gemüseanbau kombiniert werden.

In den Niederlanden geht man sogar noch einen Schritt weiter: Die Floating Farm in Rotterdam ist die weltweit erste schwimmende Farm, die Milch und Käse direkt im Hafengebiet produziert. Solche Konzepte machen Städte nicht nur grüner, sondern auch unabhängiger von externen Lebensmittelversorgungen.

5. Wasser: Grüne Lösungen für ein wertvolles Gut

Wasser spielt eine zentrale Rolle im Urban Greening. Städte wie Kopenhagen haben erkannt, dass die Integration von Wasser-Management-Systemen und Grünflächen der Schlüssel zu einer klimaresilienten Stadt ist. Der Stadtteil Nørrebro ist ein Vorbild für wassersensible Stadtplanung. Hier wurde ein Park geschaffen, der als riesiger Wasserspeicher fungiert. Während Trockenperioden dient er als Spiel- und Erholungsfläche, bei Starkregen sammelt er das Wasser und verhindert Überflutungen in angrenzenden Straßen.

Auch in Barcelona setzt man auf solche Lösungen. Das Projekt “Superilles” (Superblocks) verfolgt das Ziel, verkehrsberuhigte Zonen zu schaffen, die mehr Raum für Grünflächen, Fußgänger und Wasserspeicher bieten. Die begrünten Straßen und Plätze reduzieren die Hitzeentwicklung und sorgen für ein angenehmeres Mikroklima.

Unsere Städte können grüne Oasen werden

Diese Beispiele zeigen, dass Urban Greening nicht nur eine Vision, sondern bereits gelebte Realität in vielen Städten weltweit ist. Es geht darum, das Zusammenspiel zwischen Natur und Stadt neu zu gestalten und eine Umgebung zu schaffen, die widerstandsfähiger, lebenswerter und zukunftsfähiger ist. Mit innovativen Projekten und mutigen Ideen können wir Städte in grüne Oasen verwandeln, die dem Klimawandel trotzen und den Menschen ein gesünderes Leben ermöglichen.

Denn letztlich ist Urban Greening nicht nur eine Investition in die Natur, sondern auch in unsere eigene Zukunft.