Wir sind alle Tauschwesen

Die Natur ist kein anderer Ort – sie ist der Raum, in dem wir sind
Thomas Schmenger

Der Mensch ist Teil eines weitreichenden Systems von Austauschprozessen, die unser Leben auf physikalischer, biologischer und chemischer Ebene ermöglichen. Diese Tauschbeziehungen gehen über den reinen Austausch zwischen Menschen hinaus – sie durchdringen die gesamte Biosphäre. Atem, Ressourcen, Pilze, Bakterien und andere Lebewesen sind integrale Bestandteile eines komplexen Netzwerks, das unser Überleben sichert.

Der Atem als biochemischer Austausch

Mit jedem Atemzug tauschen wir Gase mit unserer Umwelt aus. Wir nehmen Sauerstoff auf, der durch Photosynthese von Pflanzen, Algen und Cyanobakterien produziert wird, und geben Kohlendioxid ab, das wiederum als Rohstoff für die Pflanzenwelt dient. Dieser Kreislauf ist ein zentraler Bestandteil des globalen Kohlenstoffzyklus, der das Leben auf der Erde reguliert.

Laut Studien der NASA sind etwa 50 % des Sauerstoffs in der Atmosphäre das Werk von marinen Mikroalgen wie Kieselalgen und Cyanobakterien. Das macht sie zu einem entscheidenden Faktor für die Stabilität unseres Klimasystems.

Ressourcenflüsse und ökologische Kreisläufe

Die Ressourcen, die wir nutzen – Wasser, Holz, Nahrung, Energie – stammen aus endlichen oder regenerativen Kreisläufen der Natur. Der Boden beispielsweise, eine scheinbar unerschöpfliche Ressource, ist ein Produkt von Millionen Jahren biologischer und geologischer Prozesse. Pilze und Mikroorganismen spielen hierbei eine entscheidende Rolle, indem sie organisches Material zersetzen und die Nährstoffe für Pflanzen wieder verfügbar machen.

Doch die aktuelle Nutzung dieser Ressourcen hat die planetaren Grenzen in mehreren Bereichen überschritten. Die Studie von Rockström et al. (2009) zeigt, dass der Mensch vor allem im Bereich der Stickstoff- und Phosphorkreisläufe sowie beim Verlust der Biodiversität massive Eingriffe vornimmt. Dies führt zu Störungen in den natürlichen Austauschprozessen.

Pilze und Bakterien als stille Akteure

Pilze und Bakterien sind Schlüsselakteure in nahezu allen Ökosystemen. Mykorrhiza-Pilze beispielsweise leben in Symbiose mit Pflanzenwurzeln. Sie erhöhen die Aufnahme von Wasser und Mineralstoffen für die Pflanze, während sie im Gegenzug Kohlenhydrate erhalten. Diese Symbiose ist so verbreitet, dass etwa 90 % aller Landpflanzen auf Mykorrhiza angewiesen sind.

Bakterien, vor allem Bodenbakterien wie Rhizobien, spielen eine zentrale Rolle im Stickstoffkreislauf. Sie fixieren atmosphärischen Stickstoff, der von Pflanzen direkt nicht genutzt werden kann, und wandeln ihn in Ammoniak um, eine biologisch verfügbare Form. Ohne diesen Prozess wären landwirtschaftliche Erträge drastisch reduziert.

Das Netzwerk des Lebens

Das sogenannte „Wood Wide Web“, ein Netzwerk aus Pilzgeflechten und Pflanzenwurzeln, ist ein faszinierendes Beispiel für den biologischen Austausch. Wissenschaftler wie Suzanne Simard haben gezeigt, dass Bäume über dieses Netzwerk Nährstoffe, Wasser und sogar Signale austauschen. Verletzte Bäume können Nährstoffe erhalten, während ältere Bäume überschüssige Ressourcen an jüngere weitergeben. Dieses System ist nicht nur ein Tausch von Ressourcen, sondern auch ein Kommunikationsnetzwerk, das Ökosysteme stabilisiert.

Globaler Austausch: Kohlenstoff- und Wasserkreisläufe

Die planetarischen Kreisläufe von Wasser und Kohlenstoff sind ebenfalls fundamentale Tauschprozesse. Der Kohlenstoffkreislauf beispielsweise ist eng mit der globalen Temperaturregulierung verknüpft. Laut Berichten des IPCC (2021) nimmt die Ozeane jährlich etwa 25 % des vom Menschen verursachten Kohlendioxids auf, was sie zu einem zentralen Puffer im Klimasystem macht.

Der Wasserkreislauf wiederum, der durch Verdunstung, Kondensation und Niederschlag angetrieben wird, verbindet alle Lebewesen auf der Erde. Pflanzen spielen eine entscheidende Rolle in diesem System, da sie Wasser durch Transpiration in die Atmosphäre abgeben und so lokale Klimasysteme beeinflussen.

Fazit: Wir sind Teil eines symbiotischen Netzwerks

Die wissenschaftlichen Fakten zeigen, dass der Mensch tief in ein Netzwerk eingebunden ist, das durch Austauschprozesse geprägt ist. Vom Atem über den Kohlenstoffkreislauf bis hin zu den symbiotischen Beziehungen zwischen Pflanzen, Pilzen und Bakterien – die Natur funktioniert nicht isoliert, sondern durch ständigen Austausch.

Dieses Wissen unterstreicht, dass jede Störung dieser Prozesse weitreichende Folgen hat. Der Mensch muss lernen, nicht nur zu nehmen, sondern auch zum Gleichgewicht beizutragen. Denn unsere Abhängigkeit von diesen Netzwerken ist unumstößlich – und das Wissen darum könnte der Schlüssel zu einem nachhaltigeren Umgang mit der Welt sein.